Sardinien, Italien

Sardinien – Golfo di Orosei (Ostküste) – Mai 2010

Ein Traum: mit dem Holzpiraten vor Anker im türkisfarbenen Wasser. Wie es genau dazu kam lesen Sie im ausführlichen Reisebericht von Guido:

Eigentlich hatte ich für diese Reise (Mitte Mai 2010) traditionell nur eine Woche Zeit, und beim Losfahren hatte ich mich noch nicht entschieden, ob wieder die venezianische Lagune (wie 2008 – [siehe hier Vorankündigung]) oder eben Sardinien das Ziel sein sollte – ich wollte es vom SMS-Handy-Seewetterbericht abhängig machen. Außerdem wagte ich es nicht, Sardinien mit der teuren Fährüberfahrt zuhause zu verkünden, um mir keinen Spott zuzuziehen!

Andererseits, der Pirat war erst ein mal in Sardinien, im Maddalenen-Archipel im Nordosten der Insel. Die erste Reise gleich nach Kauf und Grundüberholung 1999, meine Frau mit unserem ersten Kind im 5. Monat schwanger – mit welchen grandiosen Fehlleistungen wir uns damals lächerlich gemacht haben, ist ein Kapitel für sich und als ewige Mahnung für Massivholzboot-Neulinge auch irgendwann zu erzählen…

Außerdem ist Sardinien wegen der Kindheitserinnerungen aus den Reisen der 70er Jahre mit der Vaurien-Jolle meines Vaters DAS Traumziel, und seit ich den Golf von Orosei (ohne Boot) kennengerlernt habe, wollte ich dort segeln. Allerdings mit gehörigem Respekt (oder besser: Angst) vor der ungeschützen Felsenküste und den scheinbar riesigen Enfernungen – auf der Straße ist man hinter diesem Küstenabschnitt über 60 km und anderthalb Stunden unterwegs! Dazwischen gibt es keinen befahrbaren Zugang zur der Küste.

Eigentlich war das Ziel doch schon entschieden, und als an der Gabelung der Autobahnen der Wetterbericht für beide Ziele gleich schlecht ausfiel, lenkte ich das Gespann Richtung Livorno.

Nach der nächtlichen Überfahrt nach Golfo Aranci bei Olbia und noch gut drei Stunden Fahrt, ließ ich den Piraten auf der Sliprampe in Cala Gonone ins Wasser. Mein erster „offizieller“ Hafen in Italien – der junge Hafenmeister in tadellos gebügelter Uniform (Widerspruch damit ausgeschlossen!) verlangte zwar kein Geld, aber einen Nachweis über die obligatorische Haftpflichtversicherung! Faxverbindungen zur heimischen Versicherung funktionierten nicht, bis wir drei Tage später auf die Idee kamen, den Nachweis per Email ins Internetcafe zu übermitteln.

In der Zwischenzeit war Segeln sowieso unmöglich: obwohl der SMS-Seewetterbericht „nur“ 6-7 Windstärken aus West anzeigte, staut sich der Wind offenbar hinter der küstennahen Bergkette und pfeift dann in Böen von geschätzten 10-11 stoßweise durch die Schluchten. Wo die Böen die Wasseroberfläche trafen, rissen sie innerhalb eng begrenzeter Felder meterhoch weiße Gischt aus dem Wasser, und beim Übernachten im Auto am Grunde der Schlucht Codula di Luna hatte ich ernsthaft Angst, daß der Mini vom Wind weggerissen würde!

So hatte ich drei Tage zum Herumfahren, nostalgischem Aufsuchen unserer alten Plätze aus lange zurückliegenden Motorradurlauben und zum Ausbaldowern der Anlegemöglichkeiten bei Santa Maria Navarrese am südlichen Ende des Golfes.

Am vierten Tag bei ruhigem Wetter ging es endlich los! Die Fotos entstanden an den letztlich nur zwei Segeltagen – so wurde diese Fahrt eher zu einem Testen der Möglichkeiten als zu einem „richtigen Segelurlaub“… völlig egal, für diese Eindrücke hat sich jede Reisestrapaze gelohnt!

Jetzt zu den Fotos: Bild 1 bis 4 sieht man den segelverhindernden Sturm nicht an! Bild 1 und 2 gibt einen Überblick über den Golf von Orosei mit Blick in südliche Richtung, von einer kleinen Paßstraße von Dorgali nach Calagonone fotografiert.

1 – Blick auf Cala Gonone und Golf von Orosei

2 – Blick auf Cala Gonone und Golf von Orosei

Bild 3: Blick von der SS125 „Orientale Sarda“ auf das Bergdorf Baunei und im Hintergrund auf die Halbinsel von Arbatax. Diese wichtige Nord-Süd-Verbindung verläuft wie die meisten sardischen Straßen nicht als Küstenstraße, sondern in diesem Abschnitt hinter der Bergkette entlang. Es zweigen einige Stichstraßen in die zum Meer führenden Schluchten Codula di Luna und Codula Sisine ab, diese enden aber einige Kilometer vor den Buchten.

3 – Baunei – Blick auf Arbata

4 – Cala Gonone Slip

 

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Bild 5:

Cala Fuili ist die letzte Bucht, die von Calagonone noch mit dem Auto zu erreichen ist – noch nicht soo attraktiv mit kiesigem Strand, aber ein Trost an den segelfreien Tagen.

5 – Cala Fuili

Bild 6 bis 9:

Die Grotta Bue Marino (Grotte der Meerochsen) heißt so nach einer Mönchsrobbenart, die dort bis in die 70er Jahrer noch gesichtet worden sein soll – bei der touristischen Erschließung heute mit Anlegesteg für die Ausflugsboote hätten die jetzt keine Chance mehr! Ich legte dort den Piraten malerisch vor Anker, um zu dem felsigen Ufer zu schwimmen, leider ohne Kamera!

Bei 17-18° Wassertemperatur ging ich nur ins Wasser, wenn solche Gelegenheiten es unumgänglich machten, zum Baden wars etwas kalt!

6 – Grotta Bue Marino

7 – Grotta Bue Marino

8 – Grotta Bue Marino

9 – Grotta – Blick zurück

Bild 10 bis 16:

An der Cala Luna wählte ich die gleiche Methode des Anlandens, deshalb fehlen Bilder vom Inneren der Höhlen – nächstes Mal fahre ich auf den Strand!

Die Höhlen sind unglaublich: Groß wie Kirchenschiffe ziehen sie sich bis 30 Meter in den Fels (vgl. die kaum erkennbaren Badegäste und Freeclimber vor den Eingängen!) In den frühen 70ern sollen dort Hippies an Lagerfeuern gehaust haben – wäre ich damals schon mit Boot und Gitarre dagewesen – seufz…

Der Strand ist von Ausflugsbooten und Mietschlauchbooten von Calagonone ganz gut erschlossen und bietet sogar eine schilfrohrverkleidete Strandbar – back to civilisaton! Über diesen Ausflugsverkehr war ich gar nicht unglücklich, bietet er doch etwas Sicherheit, falls mit dem Boot was passiert!

10 – Cala Luna

11 – Cala Luna

12 – Cala Luna

13 – Cala Luna

14 – Cala Luna

15 – Cala Luna

16 – Cala Luna

Bild 17 bis 18:

Cala Sisine ist nicht so spektakulär, aber sehr hübsch und hätte sich in der Nebensaison als fast menschenleere Badebucht angeboten… nächstes Mal mit mehr Zeit…

17 – Cala Sisine

18 – Cala Sisine

Bild 19 bis 24:

Fahrt südwärts Richtung Cala Goloritze. Die Felsen auf Bild 20 sind immerhin ca. 600 Meter hoch. Es gibt einige sehr kleine sandige Stellen, die mir zum Landen mit dem schweren und empfindlichen Boot zu heikel waren; mit einem Mietschlauchboot oder Seekajak oder eben etwas mehr Mut ist sicher einiges zu entdecken!

19 – Kurs Süden

20 – Kurs Süden

21 – Kurs Süden

22 – Kurs Süden

23 – Cala Goloritze (Felsnadel)

24 – Cala Goloritze

Bild 25 bis 33:

Diese Fotos entstanden an der Cala Goloritze, wo ich auf dem Stand übernachtet habe (eigentlich in diesem Nationalpark nicht einfach erlaubt, aber in der Nebensaison rechnet damit keiner). Vom Land aus sind es vom Hinterland von Baunei ca. 2 Stunden Fußmarsch, da kommen die ersten Besucher erst um halb 12! Als ich ankam, machte sich gerade ein großes Schlauchboot mit Mountainbike und Filmcrew abfahrbereit, und der erkennbare „Star“ der Gruppe erzählte mir liebenswürdig, er habe hier einen Weltrekord aufgestellt. Ich begriff erst später in Calagonone aus der Zeitung: das war Vittorio Brumotti, der mit seinem Bike auf der Spitze der Felsnadel 69 mal auf dem Hinterrad gehüpft ist (auf Youtube zu finden siehe unten)- dieser Hinkelstein ist 143 Meter hoch! Ich konnte mir gar nicht vorstellen, daß da überhaupt jemals einer draufstand, aber er ist ein beliebtes Ziel für Klettertouristen.

[youtube lnNl2wqVUkA 640 480]

Es war ein traumhaft schöner, einsamer Abend allein in der Bucht, im fernen Dunst war Calagonone nicht mehr auszumachen (Bild 31).

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Um das Kap am Ende des Golfes herum nach Santa Maria Navarrese wären es wahrscheinlich nur noch ein oder zwei Stunden Segeln gewesen, aber der SMS-Seewetterbericht zeigte für den nächsten Nachmittag ein Umspringen und Auffrischen des Windes auf 5-6 Windsärken aus Nord an. Eingedenk des anfänglichen Sturms erwartete ich Fürchterliches (ich traue dem Mittelmeerwetter nicht über den Weg, wie berechenbar ist doch die Ostsee!) und machte mich gegen halb 1 auf den Rückweg.

Raumschots mit abflauenden südlichen Winden, wischendurch mit etwas gemütlicher Motorunterstützung, brauchte ich dann keine 4 Stunden zurück nach Calagonone! Der ganze Golf ist auf der Seeseite eben doch keine 20 Seemeilen lang, die Straße im Hinterland muß halt riesige Umwege machen.

Das war für mich die wichtigste Erkenntnis: bei stabilem Wetter kann man die Tour wagen, weil man mit 2 bis 3 Stunden Vorwarnfrist einen rettenden Hafen erreichen kann. Was aber passiert, wenn einen vorher ein ordentlicher Ost-Sturm erwischt, mag ich mir lieber nicht vorstellen…

25 – Cala Goloritze (Felsnadel)

26 – Cala Goloritze

27 – Cala Goloritze

28 – Cala Goloritze

29 – Cala Goloritze

30 – Cala Goloritze

31 – Cala Goloritze

32 – Cala Goloritze

33 – Cala Goloritze – Blick zurück

Bild 34:

Aufgenommen am selben Abend beim Eisessen auf einer Hotelterasse in Calagonone, froh, das Boot wieder auf dem Trailer zu haben!

Diesmal kam der Wetterumschwung nicht nur zeitlich, sondern auch in der Stärke genau nach der SMS-Vorhersage! Es war also gar nicht so schlimm, am nächsten Tag hätte ich noch schön segeln können.

Da ich aber an dem Abend (nach zwei Tagen Urlaubsverlängerung von Büroarbeit und Kinderhüten) auf die Fähre mußte, legte ich das Boot nicht wieder ins Wasser, sondern nutzte den Tag zu einem Ausflugan den Porto Liscia im Maddalenenarchipel, wo wir in den 70ern gesegelt sind und 1999 den Piraten zum ersten Mal ins Mittelmeer getaucht haben.

34 – Fluchtpunkt Cala Gonone

Bild 35:

Die Fähre in Golfo Aranci liegt bereit! Das Auto ist nicht so alt wie der Pirat, erst Baujahr 68. Pannenfrei, mit Schlafplatz, und es hat auf den 3200 km mit dem schweren Boot über den Brenner im Schnitt 7,2 l/100 km gebraucht – es ist nur etwas laut.

35 – Rückreise – Golfo Aranci

Bild 36-37:

Sonnenuntergang über der Gallura, und die langgestreckte Insel Tavolara im Abendlicht, das „Wahrzeichen“ im Golf von Olbia bei der Ankunft in Sardinien!

Wenn die Kinder mal größer werden… ich komme wieder!

36 – Rückreise Sunset

37 – Rückreise – Golfo Aranci

6 Gedanken zu „Sardinien, Italien

  1. Wir sind gestern gerade von Sardinien zurückgekommen und infiziert vom Segelfieber habe ich gleich den PC gestartet und unter „pirat boot“ so gleich auf Deinen Reiesebericht und den Fotos gestossen. Als erstes ist mir der Name Guido auf gefallen, dann das Schiff und als ich die graue Tonne mit dem roten Deckel auf einem der Fotos erblickte wusste ich, dass es der Guido ist, den wir letzte Woche auf der Isuledda bei Porto Pollo getroffen haben.

    Die Bauart Deiner beiden Boote, haben mich ermuntert, das Ruderboot das ich zur Zeit restauriere zu einem Segelboot umzubauen.
    Ich hoffe, dass Ihr noch ein paar gute Segeltage erlebt habt, und wenn ich mehr von meinem Umbau habe lasse ich es Dich gerne wissen.

    Liebe Grüsse

    Thomas

  2. Sehr schöne Reiseimpressionen – das macht Mut …. komme mit meinem langen Piraten (5,60…) SUE wohl
    dieses Jahr nicht mehr ins Wasser, aber das spornt an: werde vorher mal bewußt Kentern üben!!

  3. Hallo, sehr schöne Reise! Als ich noch O-Jolle gesegelt bin, wollte ich auch immer mal auf der See segeln, habe mich aber wegen der Unmöglichkeit, das Boot nach Kenterung allein, ohne fremde Hilfe, wieder leerzusegeln, nie getraut.
    Wie hast Du Deinen Reserveauftrieb organisiert; schwimmt das Boot nach Kenterung und wieder Aufrichten so hoch, dass Du das restliche Wasser über die Lenzer wieder hinausbekommst?
    LG Thilo, Skipper von Profillemäuschen

    • Hallo Thilo,

      eben das ist meine größte Sorge! Daher bin ich
      ganz froh, wenn ein gewisser Schlauchbootverkehr
      in der Gegend herrscht…

      Der Pirat ist als Knickspanter allerdings um einiges
      kippsicherer als ein Rundspanter, und mein Exemplar
      ist noch etwas sicherer – ich kann auf dem Seitendeck
      entlangbalancieren (mit 85 kg), beim Holzpiraten von
      einer Freundin fällt man sofort ins Wasser.
      Der schwimmt auch sichtbar viel höher auf und ist
      gefühlt und getestet mindestens 20% schneller als meiner,
      braucht aber einen Reitbalken zur Stabilisierung – es
      scheint also selbst bei den VEB-Piraten nennenswerte
      Unterschiede zu geben.

      Ich habe vor dem Mast einen großen Gymnastikball
      reingestopft und im Achterschiff einen Kinder-Hüpfball
      (auch als Fender zu gebrauchen), damit das Boot halbwegs
      oben bleibt, aber ich rechne nicht damit, beim geringsten
      Wellengang das Boot aufrichten und ausschöpfen zu können –
      es ist halt ein kleiner Jollenkreuzer! (Leersegeln bei
      vollgelaufenem Boot ist erst recht undenkbar, selbst wenn
      Lenzer eingebaut wären)

      Beim Holzpiratentreffen auf dem Steinhuder Meer vor 2 oder
      3 Jahren habe ich allerdings gesehen, wie zwei Leuten
      bei knapp 4 Windstärken, aber wenig Welle, das Aufrichten
      und Leerschöpfen gelungen ist, ich habe gestaunt!
      Irgendwann übe ich das mal bei warmem Wasser, um ein
      Gefühl dafür zu kriegen…

  4. Traumhafte Bilder, die Urlaubsstimmung erzeugen. Und dann auch noch dieser Mini Cooper Kombi. Guido ist ein echt cooler Typ im besten Sinne des Wortes.

    Ich bin auf mehr gespannt.

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