Schwedische Ostküste

Hier berichtete uns Ulrike von ihrem Törn in Schweden. Vielen Dank, Ulrike.

Mein Holzpirat, die Black Pearl, liegt seit 2009 in Norrköping (Lindö) an einem langen Fjord südlich von Stockholm. Am Ausgang des etwa 20 Meilen langen Fjords (Bråviken) hat man Zugang zu der zauberhaften Inselwelt Ostschwedens, die mein Freund und ich diesen Sommer zum dritten Mal ersegeln.

Sommerregen

Ich empfinde die Schärenwelt jedesmal als ideales Jollenrevier, da man die Distanzen bei Bedarf kurz wählen kann, es wenig Welle und meist auch nicht so arg viel Wind gibt. Und wenn es doch mal richtig bläst, gibt es durch die zahlreichen Inseln Verstecke genug. Einzig die Navigation ist gewöhnungsbedürftig (sofern man auf einen Kartenplotter verzichtet und wie wir auf Papierseekarten baut). Außerdem sind Jollen auf Wanderschaft, gelinde gesagt, unüblich, was aber nicht unbedingt von Nachteil ist. Dadurch wird die Pearl jedes mal zu so was wie einer kleinen Sensation, gibt aber auch Anlass zu besorgten Tipps (z.B. wurde uns bei 2-3Bft und 10cm Welle dringend empfohlen doch lieber die geschütztere, fast flußähnliche Route mit extremer Windabdeckung für den Rückweg zu wählen).

Endlich Sonne!

Nach einem komplett verregneten, norddeutschen Juli setzen wir große Hoffnung in unsere 1 1/2 Augustwochen, die wir uns zum Vagabundieren durch die Schären reserviert hatten. Normalerweise finden wir es nicht so wichtig, welche Distanzen wir zurücklegen, da es überall zauberhafte Inseln in Hülle und Fülle gibt. Gleich auf dem ersten Törnabschnitt haben wir uns aber tatsächlich mal so etwas wie ein Ziel gesetzt: wir wollen gerne Freunde, die mit ihrer Yacht auf Schwedentour sind, in dem etwa 16 Meilen entfernten Hafen ‚Nävekvarn‘ treffen. Das Wetter ist mal wieder gleichbleibend mies – das kennen wir ja schon aus Kiel – und es regnet. Dazu herrscht trotz beeindruckender Wolkentürme ziemliche Flaute. Besonders da, wo das Ufer des Bråviken besonders hoch ist, hat der ohnehin schon schwache nördliche Wind gar keine Chance und leicht genervt greifen wir zum Paddel. Langfristig sollten wir nicht unter 2 Knoten kommen, sonst können wir die Verabredung getrost vergessen.

Unsere erste Insel

Zum wiederholten Mal stellen wir fest, dass sich ein Holz-Pirat ganz schön mühsam paddelt und dies ist wieder einer der wenigen Momente, in denen ich einen Motor fast vermissen könnte. Doch bevor die Regenlaune auf den Tiefpunkt sinkt, höre ich hinter mir eine Art Schnaufen und blicke in ein hunde- bis bärenartiges Gesicht, etwa eine Schiffslänge hinter uns. Mir fällt sofort der nahe gelegene Zoo ein, aber das Tier scheint durchaus mit Wasser vertraut zu sein und taucht sofort ab. Eine Kegelrobbe, wie ich später per Google herausfinde! Zunächst denke ich an einen Seehund, der viel hundeartiger aussieht als seine stupsnasigen Nordseekollegen, und das Wort ‚Seehund‘ scheint mir hier viel angebrachter…. alle Motorwünsche sind sofort verflogen und der neugierige Geselle versüßt uns die kommenden zwei Stunden die Paddelei (wir haben während des Urlaubs noch weitere Seehundsichtungen, sind uns aber sehr unsicher wie viele verschiedene Tiere wir gesehen haben – die Schätzungen gehen weit auseinander und liegen irgendwo zwischen 1 und 6).

Naevekvarn

Die letzten 3 Meilen kommt wieder etwas Wind auf und letztendlich können wir tatsächlich trockene, warme Spagetti auf der Yacht unserer Freunde geniessen. Am nächsten Tag geht es dann in die Inselwelt und es ist Schluss mit derlei Luxus. Zum Glück tut das auch nicht Not. Es bleibt schwachwindig, aber jetzt meist sonnig und malerische Ankerbuchten gibt es wahrlich genug als dass man sich über niedrige Etmale grämen sollte. Es folgt eine herrliche Bummelei mit Robinsonfeeling, Badestops und vielen Lagerfeuern. Dabei haben wir es nach unserem ersten, schlaftechnisch äußerst unbequemen Urlaub aufgegeben auf dem Boot nächtigen zu wollen. Ein kleines Zelt an Land ist viel bequemer (und in Schweden ist das wild campen sogar offiziell erlaubt)! Der schwachem Wind macht das Anlanden an unbekannten Felsen recht einfach, da man langsam anfahren und den Grund beobachten kann. Per Heckanker und Vorleine an Baum oder Felsnagel liegt die Pearl in den meist sehr geschützten Buchten wunderbar sicher (in der Nähe von Fahrwassern ist es allerdings angebracht, mit beträchtlichem Schwell zu rechnen!). Ich nehme trotzdem immer gerne mein Handy mit an Land – allein auf so einer einsamen Insel weiss man ja nie….

Camping

Auch die Navigation ist unter diesen Bedingungen entspannt. Selbige kann nämlich bei viel Wind mit Kreuzerei manchmal ganz schön knifflig werden. Mir steht also durchaus der Sinn nach Bummelei und das Endziel Harstena, mit seinem unvermittelt hinter einer Felsnase auftauchenden Minihafen, einem winzigen Ort, einem sündhaft teuren Restaurante und einer super leckeren Fischräucherei, passt prima dazu. Der Urlaub bleibt herrlich verträumt – bis wir auf dem Rückweg, wieder in Nävekvarn, abermals Freunde, dieses mal mit Katamaran, treffen. Gemeinsam soll es am nächsten Tag zurück nach Norrköping gehen und ich muss schon vorab viele spasshafte Bemerkungen über mich ergehen lassen, wie ‚alt‘ die Pearl gegen den Katamaran aussehen wird.

Oh!

Von deutschen Booten hat mein französischer Kollege nicht die höchste Meinung und wieder und wieder weist er auf die Schwerfälligkeit von Bavaria hin. Auch hofft er auf viel Wind, den er prompt bekommt: 6m/s Wind lautet die Vorhersage, doch deutlich zeichnen sich hinter dem geschützten Hafen ganz schön viele Schaumkronen ab. 10m/s (gute 5Bft) misst mein Freund noch halb in der Abdeckung – es sollte ‚draußen‘ also eher mit 5-6 Bft wehen. Dazu kommt der Wind noch genau von vorn mit anfangs durch Inseln drehenden Winden und Düseneffekten. Also binden wir ein ordentliches Reff ins Segel und los geht es. Im Notfall können wir immer noch umdrehen und ablaufen. Ich kündige vorsichtshalber schon bei Frühstück an, dass wir nicht in jeden Fall die vollen 16 Meilen segeln, sondern evtl. im 10 Meilen entfernten Krokek (Kolmården) abbrechen. Das ist eine mögliche, aber nicht besonders gute Lösung – Krokek ist eine auf der Seekarte minimal sichtbare Ausbuchtung der Küstenlinie und der ‚Hafen‘ besteht aus einem gigantischen Holzsteg und ein paar nur mäßig vertrauenerweckenden Muringen. Ansonsten ist dieser ‚Hafen‘ gänzlich ungeschützt und die Pearl hat dort schon manche Nach ‚durchgetanzt‘. Immerhin muss die Crew nicht mittanzen, sondern kann ganz entspannt im Zelt sitzen…

Pearl Suchbild

Wie auch immer – wir kriegen Vorsprung, da der Katamaran uns wohl eh sofort überholen wird. Pearli ist mit Reff gut handelbar und vom Wind her finde ich die Sache nicht problematisch. Nur die Wellen sind, gelinde gesagt, nervig und für den (fairerweise wechselnden) Vorschoter folgt eine Dusche auf die nächste. Ein Königreich für eine Elektropumpe! Und das soll jetzt mind. 5 Stunden so weitergehen!? – puh… nun gut. Nach 3 mühsam erkämpften Meilen kommt die Nachricht per SMS – der Katamaran läuft wegen zu viel Wind doch nicht aus. Also weiter kämpfen oder als Seeheld zurückkehren und noch einen netten Abend in Nävekvarn verbringen? Die Entscheidung ist einfach – wir drehen um und rauschen vor dem Wind zurück. Wie wunderschön!

Harstena

Der Show wegen legen wir direkt am Steg mit vollen Segeln an und lassen uns den Rest des Tages bewundern. Der Franzose mustert mein Boot ab und zu mit ganz neuem Blick und ich genieße zufrieden den zwar äußerst windigen aber sehr warmen Sonnentag mit Eiskrem und Baden (ausnahmsweise sogar mal mit Wellen). Wir beschließen es am Folgetag nochmal zu versuchen. Auch hier soll es sonnig und recht windig werden – aber immerhin ist jetzt Rückenwind versprochen. Wieder kriegen wir deutlich Vorsprung und erwarten bei nun nur noch 4-5 Bft dass jede Minute ein Katamaran vorbei saust. Letztendlich dauert das aber noch über 2 Stunden und die Pearl segelt so schnell wie selten (ich habe leider keinen Spi). Dazu sei aber gesagt, dass wir wirklich alles geben, während sich der Kat unter Umständen den Rennbedingungen gar nicht so recht bewusst ist. Mit Schmetterlingsbesegelung passen wir haargenau in die Welle und fahren beständig über 5.5-6 Knoten. Ab 7 Knoten beginnt das Ruder zu vibrieren (max. gemessener Speed 7.8 Knoten). Toll! – und ein bisschen unheimlich – eine Patenthalse wäre jetzt ein echtes Desaster und ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht auf welchen Speed ein so alter Pirat ausgelegt ist!

Welle

Der Kat erscheint hinter uns und holt tatsächlich nur in Zeitlupe auf. Wind genau von hinten ist nicht seine Sache und muss in langen Schlägen vor dem Wind kreuzen. Erst ca. 2 Meilen vor der Hafeneinfahrt kriegt er uns. Ich finde, die Pearl hat einen weiteren ‚Seeheldenbonuspunkt‘ eingeheimst und bin hochzufrieden. Am nächsten Tag ziehen wir mein Boot wehmütig wieder aus dem Wasser und verfrachten sie wieder in ihre angestammte Jollenbootshalle. Das war wirklich wieder ein toller Schärensegelsommer!

Ulrike (& Heiner)

Kartenlink: http://kartor.eniro.se/m/9HPOi

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